Timing ist alles: Spannung durch Information an der richtigen Stelle

Häppchen mit Infos wie bei einem mehrgängigen Menü

 

Liebe (angehende) Fachbuchautoren, wie bringt ihr eure Leser ans Ende eures Textes? Oder anders gefragt: Wie verhindert ihr, dass sie vorher aussteigen, das Buch weglegen und das Lesezeichen nie wieder weiterwandert? Die Antwort: durch geschickte Dosierung von Information und Spannung. Willkommen in der Textküche, es geht ans Abschmecken!

 

Was ist der Motor deines Buches?

Frodo will den Ring vernichten, Lara Croft den Schatz finden und alle in einem Horrorfilm wollen einfach nur überleben. Und was ist mit deinem Buch? Richtig, du schreibst keinen Roman, sondern ein Sachbuch und dort gibt es meist keine Figuren oder verzwickten Handlungsstränge. Gibt es aber deswegen auch keine Spannung? Nein. In einem Roman treibt der Protagonist die Handlung voran, die Leser leiden und freuen sich mit ihm, seine Sehnsüchte werden zu den Sehnsüchten der Leser. Bei einem Sachbuch ist die Sehnsucht der Leser ihr Informationsgewinn – Erkenntnis und Verständnis. Die entscheidende Frage ist also: Wie portionierst du deine Infos, dass die Leser bis zum Ende lesen und das nächste Buch kaufen?

 

Strukturiere deine Inhalte

Sicher hast du dein Material schon für eine Keynote strukturiert und auch dort einen Spannungsbogen angelegt. Das Strukturieren von Inhalten ist kein Neuland für dich. Du weißt, wann eine Spannungspause notwendig ist, wann du das Tempo mit aufeinanderfolgenden Schlagworten anziehen solltest oder wie du eine Frage ans Publikum einleiten musst. Der Unterschied aber zum Schreiben: du musst langfristiger planen. Die Sprache in Büchern folgt einem anderen Takt. Jeder erfahrene Redner weiß, dass 30 Minuten wie im Flug vergehen und er sich schon bei der Planung zurückhalten muss, um nicht zu viel zu erzählen, denn meistens passen alle Fakten und Storys gar nicht in die Rede. Die Auswahl und die Präsentation von Infos sind die Königsdisziplinen.

Ein Buch ist dagegen geduldig und bietet jede Menge Platz. Natürlich schläfert auch hier zu viel Gerede ohne Inhalt den Leser ein, aber der Atemzug zur Vermittlung von Infos ist länger. Schon allein, weil du einen geschriebenen Satz während der Lektüre wieder und wieder lesen kannst. Statt einem großen Spannungsbogen über den gesamten Vortrag solltest du bei einem Sachbuch eher viele kleinere Bögen anlegen, um Kapitel für Kapitel Aufbau, Höhepunkt und Auflösung zelebrieren zu können. Anders als im Roman gibt es in einem Sachbuch keine Auflösung irgendwelcher Konflikte am Ende. Der letzte Akt bleibt leer.

 

Dein Baugerüst: das Inhaltsverzeichnis

Von Beginn an solltest du mit einem Inhaltsverzeichnis arbeiten, das du im Schreibprozess weiterentwickelst und verfeinerst, da du bei einem Buch stets mehrere Ebenen der Info- und Spannungsentwicklung im Blick behalten musst. Es ist nicht nur eine Schnur, an der du Fakten und Erzählmomente wie Perlen aneinanderreihst, es ist ein ganzes Gewebe und du entscheidest darüber, wie die Schichten ineinander gewoben werden. Das zu Beginn noch leere Verzeichnis wird sich schnell mit Themenideen füllen. Wahrscheinlich trägst du bereits eine Handvoll Themen mit dir herum, die unbedingt in das Buch fließen sollen. Dann ist mehr die Frage, wie du Themen und einzelne Fakten organisierst, welche Erklärungen es in welcher Reihenfolge braucht und in welchem Rhythmus du Fakten und Erklärungen auflockerst und mit Story-Elementen anreicherst. Deswegen:

Reihenfolge 1: Erst die relevanten Fakten, dann die Pointe

Wie bei deinen Zuhörern solltest du deine Leser an Pointen und Erkenntnisse heranführen und an den richtigen Stellen Pausen setzen, damit sie lachen können. Dafür sollte dir bewusst sein, worin die Pointe besteht und was du dem Leser vorher mitgeben musst, damit er am Ende lacht. Die Dichte an Infos sollte zur Pointe hin abnehmen, das Tempo zunehmen. Identifiziere die bedeutendste Info für die Pointe und bring sie ganz zum Schluss. Stell dir vor, jedes Kapitel wäre eine separate Keynote – wie würdest du sie gestalten?

Reihenfolge 2: Erst die Theorie, dann die Praxis

Klingt so ähnlich wie der Punkt zuvor, folgt aber einem anderen Leitstern. Ihr Wert liegt in ihrem Filtercharakter, denn: Was ist noch Theorie, was Praxis? Wo beginnt das Beispiel? Was ist Überleitung? Wie weit willst du den Rahmen anlegen? An welchem Punkt mit den Erklärungen ansetzen? Dafür ist es ungemein hilfreich, wenn du deine Zielgruppe schon genauer eingegrenzt hast, da du dadurch erfährst, was sie an Vorwissen mitbringen. Einem Physiker werden wir die Grundlagen des Energie-Erhaltungs-Satzes wohl kaum erläutern müssen. Allen anderen wird eine kurze Auffrischung nicht schaden. Wie viel Theorie ist also notwendig, um den eigentlichen Punkt darzustellen oder das Vorgehen in der Praxis auszuüben?

Oft wollen Autoren ausschließlich praktische Inhalte vermitteln und stürzen sich auf Tipps und Tricks in ihrer Umsetzung. Niemand will ein reines Lehrbuch schreiben, außer Schulbuchverlage vielleicht. Komplett auf allgemeine Erklärungen und Theorie zu verzichten, empfiehlt sich jedoch auch nicht. Sonst zeigst du zwar detailliert und alltagsnah jede Menge Kniffe, bleibst dabei aber in Einzelfällen haften, sodass der Leser es nicht auf seine Situation übertragen kann. Wenn ein Immobilienberater in seinem Buch lediglich beschreibt, welche Immobilien er wann wo für welchen Preis gekauft hat oder welche Objekte er bevorzugt kauft, weiß der Leser trotzdem nicht, wie er an Immobilien kommt und auf welche generellen Fallen er achten muss. Deswegen solltest du die Theorie nicht ganz aus den Augen lassen.

Kommen wir nun von der Strukturierung zur Dosierung.

Tricks der richtigen Dosierung

TRICK 1: Erkenntnisse wie Belohnungen bescheren

Nur eine Haupterkenntnis oder Lektion pro Kapitel. Auch hier wieder die Frage: Was ist die wichtigste Info für den Leser? Priorisiere innerhalb deiner Inhalte. Was ist der entscheidende Handgriff, falls es um ein Vorgehen oder eine Anleitung geht? Was dreht den Spieß für den Leser um? Bei welchem Schritt soll er anders vorgehen als bisher? Was hat den größten Effekt? Was wusste er bisher nicht, was ihm jetzt den größten Vorteil bringt?

Wenn dieser Tipp bei dir dazu führt, dass deine Kapitel auf wenige Seiten schrumpfen, frage dich, ob der Inhalt wirklich ein ganzes Kapitel trägt. Lautet die Antwort Ja, gehen es durch und beurteile: Kannst du Fakten durch sprachliche Bilder noch weiter veranschaulichen? Gibt es eine Anekdote, die dazu erzählen kannst? Lässt sich der Punkt noch aus anderen Blickwinkeln betrachten? Hast du Hintergrund und eventuelle Bedingungen ausreichend geklärt?
Ein kurzes Kapitel zwischendurch sorgt für Auflockerung, ausschließlich kurze Kapitel wirkt wie Ahnungslosigkeit.

 

Trick 2: die Gänge aufeinander aufbauen

In einem guten Menü wird der Hauptgang auch nicht als Erstes serviert, sondern der Appetit des Gastes über eine Reihe an Vorgängen, Eröffnungen, Aperitifs, Vorspeisen etc. angeregt, darauf vorbereitet und dahin geführt. Sortiere Infos und Lektionen nach ihrer Schwere, also ihrer Tragweite und Komplexität, heb dir die schwere Kost für den mittleren und hinteren Teil auf und schließe mit einem Dessert ab: z. B. mit einer Anekdote im alltäglichen Kontext. Anschließend folgt der allgemeine Merksatz, die generelle Erkenntnis oder die Lehre, die der Leser daraus ziehen kann. Dadurch kannst du Lektionen und Erkenntnisse aufeinander aufbauen, miteinander verzahnen und immer den Benefit herausstellen.

 

Fazit

Ähnlich wie bei einem mehrgängigen Menü ist es wichtig, die Inhalte in kleinen Häppchen zu präsentieren und dabei einen Spannungsbogen für jedes Kapitel anzulegen. Eine Lektion füllt ein Kapitel und ein Kapitel sollte auf dem vorherigen aufbauen. Durch die richtige Strukturierung und Dosierung von Informationen – leicht zu Beginn, schwer in der Mitte oder im hinteren Teil des Kapitels – kannst du sicherstellen, dass deine Leser bis zum Ende gespannt bleiben und hungrig nach mehr sind.

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Die Kunst des klaren Ausdrucks – Teil II