Die Kunst des klaren Ausdrucks – Teil II
Wie du komplexe Ideen verständlich ohne Informationsverlust vermittelst
Willkommen zurück an der Werkbank des klaren Ausdrucks, liebe angehende Fachbuchautoren! In Teil 1 gab es ein paar Basics für verständlichere und zugänglichere Texte, hier tauchen wir nun tiefer ein, indem wir uns auf drei wesentliche Prinzipien konzentrieren: den klaren roten Faden, präzise Formulierungen und das geschickte Auswählen von Details. Diese Prinzipien sind der Schlüssel zu einem gut strukturierten, verständlichen und fesselnden Fachtext.
1. Roter Faden: Führe einen klaren roten Faden durch deinen Text.
Was in Teil 1 mit der Struktur des Textes (einheitliche Überschriften, klar trennbare Abschnitte, Fazit etc.) begonnen hat, setzt sich beim roten Faden fort: Der Aufbau des Textes dient seinem Verständnis, sodass sich die Gedanken und Inhalte nahtlos aneinanderreihen und gut erfassbar sind. Während es bei der einheitlichen Strukturierung des Textes um eine nachvollziehbare Einteilung, also um Abtrennung ging, dreht es sich hier um Verknüpfung. Ein klarer roter Faden erhellt wie eine Straßenbeleuchtung den Weg, der durch deinen Text führt. Jeder Absatz innerhalb eines Kapitels sollte logisch zum nächsten führen und die Leser von einem Gedanken zum nächsten leiten, als wenn der Leser durch ein Flussbett von einem Stein zum nächsten hüpft. Achte also zum einen darauf, dass die Struktur deines Textes dem Leser hilft, den fachlichen Horizont eines Aspektes oder Themas abzustecken. Zum anderen können inhaltliche Verknüpfungen deinen Lesern den Kontext vermitteln, um das Gelesene einzuordnen.
Dafür lassen sich hervorragend die inhaltlichen Aspekte selbst nutzen, zum Beispiel durch Gegenüberstellung. Schreibst du ein Buch über Kryptowährungen, wirst du um die Begriffe Bitcoin und NFTs (Non-Fungible Tokens) nicht herum kommen. Da der Bitcoin bekannter und in gewissem Sinn grundlegender ist, da er die Entwicklung von Kryptowährungen überhaupt erst angestoßen hat, wirst du sicher ihn zuerst behandeln. Um NFTs zu beleuchten, kannst du dann an diese Erklärungen anknüpfen und den wesentlichen Unterschied als Aufhänger nutzen: die Teilbarkeit. Im Text könnte das so aussehen:
[…] Während Bitcoins teilbar sind – wir können auch 0,1 Bitcoin besitzen – gilt das für die folgende Kryptowährung gerade nicht: NFT. Sie zeichnen sich durch ihre Nichtteilbarkeit aus. […]
2. Präzision ohne Verwirrung: Vermeide Unklarheiten durch treffende Formulierungen.
Jedes Wort sollte seinen Platz haben und einen klaren Beitrag leisten. Präzise Formulierungen sind der Schlüssel zur Vermeidung von Missverständnissen. Jedes Wort sollte bewusst gewählt sein, um genau das auszudrücken, was du beabsichtigst. Vermeide vage Ausdrücke, die Interpretationsspielraum lassen könnten, Mehrfachbedeutungen haben oder zu allgemein gehalten sind. Wenn du deine Gedanken klar formulierst, wird der Leser deine Absichten leichter nachvollziehen können. Einen Sachverhalt auf den Punkt zu bringen, ist ohne Zweifel die Königsdisziplin des Schreibens. Deswegen gehen viele angehende Fachbuchautoren vor ihr in die Knie und schreiben, wie ihnen die Worte in den Sinn kommen. Engagement lohnt sich hier, denn Präzision erreichen wir wie ein Scharfschütze nur durch Geduld und Übung. In unserem Fall heißt das, denn Text immer wieder zu schleifen, komplexe Passagen anderen vorzulesen, um Feedback zu bitten und den Text auch mal ein paar Wochen liegen zu lassen und mit frischen Augen zu prüfen. Mit Abstand entdecken wir häufig direktere und zugänglichere Formulierungen auf Anhieb.
Präzision ist insbesondere bei Merksätzen, Regeln und Erklärungen gefragt, die aus dem Fließtext herausgehoben sind, also für Erklärboxen. Anstatt zwei verschiedene Ansätze oder sprachliche Bilder zu verwenden, entscheide dich für eines. Ansonsten konkurrieren diese beiden Bilder um den Speicherplatz beim Leser. Außerdem ist die Gefahr groß, dass sich dadurch Widersprüche oder Fragen beim Leser ergeben. Das bedeutet umgekehrt nicht one fits all. Du solltest ein sprachliches Bild nicht überladen oder auf allzu allgemeine Bilder zurückgreifen. Wie oft musste schon die Sonne herhalten, um Licht, Wärme und Strahlkraft zu symbolisieren? Oder der Ozean, um Weite und Grenzenlosigkeit zu demonstrieren? Mit diesen Bildern lockst du niemanden hinter dem Ofen hervor. Je spezifischer, desto besser. Zum Beispiel mal das gleißend helle Verbrennen von Magnesium nehmen, um Helligkeit und Strahlkraft zu veranschaulichen.
Um treffender zu formulieren, solltest du außerdem mehrfache Negationen vermeiden. Deine Leser müssen dann kognitiv weniger Informationen verarbeiten, um den Inhalt zu verstehen.
Statt: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Ereignis …
Besser: Es ist möglich, dass …
Hier zeigt sich bereits in der Kürze des zweiten Satzes, dass es schneller erfassbar und dadurch präziser ist. Letztlich bedeutet sprachliche Präzision, Worte und Sätze wie Sezierbesteck zu benutzen – das heißt: nicht mehr (Schnitte) als nötig. Kommen wir also zum nächsten Tipp.
3. Vermeide übermäßige Details: Zu viele Details können die Hauptidee verwässern.
Details sind wichtig, aber zu viele können den Leser überfordern. Wähle deine Details sorgfältig aus und fokussiere dich auf diejenigen, die die Hauptidee unterstützen. Stelle sicher, dass jedes Detail einen klaren Beitrag zur Gesamtbotschaft leistet. Dies hilft, die Aufmerksamkeit des Lesers zu halten, ohne ihn mit überflüssigen Informationen zu überladen. Dazu passt der Gedanke, Ansätze und sprachliche Bilder nicht doppelt aufzuführen, um ein und denselben Gegenstand zu beschreiben. Doch nicht nur das.
Denn hier die Anhäufung von Details schicken wir den Leser in das Labyrinth, in dem er uns verloren geht. Er legt das Buch beiseite und liest es nie zu Ende, sondern schaut sich lieber ein YouTube-Video zum Thema an – das geht immerhin schneller. Zu oft wollen aufgrund unserer Begeisterung für unser Fach dem Leser alles zeigen, aber aus Sicht der Vermittlung ist das nicht sinnvoll. Daher ist es unvermeidlich, eine Auswahl zu treffen. Das ist mitunter mühselig, weil wir eine Passage mehrmals lesen müssen und uns fragen müssen, worauf wir noch verzichten können. Doch nur so können wir mit dem Rotstift sämtlichen Überschuss aus unseren Texten verbannen. Besonders Menschen, die berufsbedingt oft vor anderen Menschen sprechen, neigen dazu, alles zu kommentieren und einen Text mit Querverweisen zu anderen Themen zu strecken, was den Text letztlich aber nur unnötig aufschwemmt. Besonders diese Personen profitieren dann von einem guten Lektorat, das ihren Text eine Schlankheitskur unterzieht.
Fazit
Ein klarer roter Faden führt den Leser durch deinen Text, ohne ihn in einem Wirrwarr von Ideen zu verlieren. Präzise Formulierungen sorgen für Klarheit, indem sie Doppeldeutigkeiten und Umständlichkeit vermeiden. Und schließlich erfordert das geschickte Auswählen von Details, dass du dich auf das Wesentliche konzentrierst, ohne den Leser mit übermäßigen Informationen zu überfordern.
Die Kunst des klaren Ausdrucks erfordert nicht nur die Verwendung von klaren Beispielen und Alltagssprache, sondern auch die Fähigkeit, einen klaren roten Faden zu schaffen, präzise zu formulieren und geschickt Details auszuwählen. Wenn du diese Prinzipien meisterst, wird dein Fachtext nicht nur verständlich, sondern auch ansprechend und nachvollziehbar sein. Daher, liebe Fachbuchautoren, kehren wir zurück an die Werkbank des klaren Ausdrucks und schleifen unser Material!
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