Wie du in deinem Buch das Tempo hältst
Sachbücher auf der Überholspur
Liebe (angehende) Fachbuchautoren, für Erklärungen sollte man sich Zeit nehmen, richtig? Schließlich wollen wir, dass die Leser den Zusammenhang verstehen. Aber heißt das auch, dass wir lange, komplexe Sätze bilden müssen, um komplexe Kontexte zu erklären? Oder nur einfache, kurze Sätze schreiben, die sich schnell überfliegen lassen? Worin liegt der Schlüssel zum richtigen Lesefluss, sodass sich ein Buch schwungvoll wegliest und die Lektüre den Lesern Freude bereitet? Welche Rolle spielt das Tempo dabei? – Diesen Fragen widmen wir uns in diesem Beitrag.
Lesetempo ist nicht gleich Lesefluss
Die Bücher, an die wir uns gern erinnern, die wir als Knaller bezeichnen und die wir herzlich weiterempfehlen, habe eines gemeinsam: Wir haben sie in einem Zug weggelesen. Es scheint also eine Frage von Geschwindigkeit zu sein, die alle erfolgreichen Bücher vorweisen können. Dieser Verdacht scheint sich für Autoren noch zu erhärten, da die meisten Verlage Bücher mit einem eher gemächlicheren Tempo ablehnen. Doch es bringt nichts in einem fort, durch dein Buch zu flitzen, nur um die Leser an den letzten Punkt zu tragen. Wenn sie auf der Reise nichts mitnehmen, werden sie sich kaum an dieselbe erinnern. Wer so denkt, verwechselt Lesetempo mit Lesefluss. Lesefluss meint mehr den Rhythmus, mit dem wir von Satz zu Satz getragen werden. Dieser Rhythmus lebt nicht nur von seiner Geschwindigkeit, sondern auch von den Pausen, Betonungen und Akzenten, die er setzt. Von deinen Reden weißt du schon, dass die Zuhörer nicht mehr behalten, wenn du schneller redest – es hat eher den gegenteiligen Effekt. Genauso ist es beim Schreiben.
Das Tempo entsteht durch die Länge der Sätze sowie durch deren Komplexität. Ist der Inhalt von Sätzen schwer zu erfassen, liegt das meist daran, dass die Leser viel mitbedenken müssen oder die Bezüge zwischen den Satzgliedern konfus sind. Die Sätze besitzen dann eine gewisse Schwere, die wie eine Kette am Bein der Leser wirkt. Der Lesefluss stolpert, das Verständnis hinkt hinterher. Das gleiche Schicksal ereilt Sätze, deren Satzstellung den inhaltlichen Schwerpunkt verschleiert, sodass die Leser schwerer erfassen können, worauf du als Autor hinauswillst. Je länger die Sätze werden, desto höher ist das Risiko solcher Ketten am Leserfuß, so scheint es.
Kurze Sätze sind gut, aber kein Allheilmittel
In zahlreichen Ratgebern zum Schreiben findest du folgenden Tipp: Verwende kurze Sätze und hohe Frequenz von Absätzen, um das Tempo zu steigern. Ebenso eignen sich Dialoge, um die Erzählung zu beschleunigen und Ansichten, Emotionen und Handlungen zu komprimieren.
Ganz allgemein stimmt das auch erst mal so, beide Tipps führen dich zum beschriebenen Ergebnis. Allerdings sollten wir hier genau hinschauen. Denn zum einen sind Dialoge in Sachbüchern oft schlecht umsetzbar, es sei denn, es ist ein Buch über Kommunikation. Zum anderen stellte ich bei vielen Lektoraten in der Vergangenheit fest: Autoren mit wenig Schreiberfahrung nutzen fast ausschließlich kurze Hauptsätze und drücken häufig die Enter-Taste, um einen Absatz einzuziehen. Dadurch entsteht mehr Luft im Buch als Buchstaben im Text. Das Weiß der Seiten dominiert.
Stell dir vor, du würdest jeden Tag das Gleiche zu allen Mahlzeiten essen. Oder jedes Mal den gleichen Film schauen. Dasselbe Album hören. Denselben Song. Nicht gerade Aussichten, die dich vom Hocker hauen, oder? Es soll dir zeigen: Nur kurze Hauptsätze sind monoton und erlauben es kaum, inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Trotzdem geht der Trend unter vielen neueren Autoren weiterhin zum schlichten Hauptsatz ohne Schnörkel. Ihre Begründung: Ihre Kunden seien nicht so leseaffin. Mehrmals berichteten mir Autoren, sie wollten ihren Lesern das Verständnis so einfach wie möglich machen, weil diese nicht so viel lesen würden. Ich musste mich zurückhalten, um nicht herauszuplatzen: Warum schreibst du dann ein Buch?
Die Sprache der Zielgruppe beginnt mit dem Medium
Wenn deine Zielgruppe ein anderes Medium als Bücher bevorzugt, teile deine Inhalte auf diesem Medium, anstatt Bücher zu schreiben! – Das ist wesentlich effektiver. Also, liebe (angehende) Fachbuchautoren, so sehr ich auch Bücher liebe und mir wünsche, dass möglichst viel geschrieben und gelesen wird: Nutzt ein Medium nicht um des Mediums willen, sondern wenn es eure Botschaft am besten transportiert und wenn es das Medium eurer Zielgruppe ist. Wenn eure potenziellen Kunden nicht so gern lesen, lasst das Schreiben. Das klingt hart, aber euer Schreiben ist kein Selbstzweck wie bei einem Romanautor, sondern soll eure Botschaft vermitteln. Wenn sich das auf anderem Weg besser realisieren lässt, nehmt diesen. Wählt stets den Weg des geringsten Widerstandes.
Jetzt nehme ich aber an, dass die Begründung mit der nicht vorhandenen Lesegewöhnung bei einigen Autorenneulingen auch eine kleine Ausrede war. Das ist keine Sünde und das Warum soll uns hier nicht weiter interessieren. Einige wollen es übersichtlich halten, andere befürchten sich in Schachtelsätzen zu verlieren, den nächsten fehlt einfach ein Gefühl für den Rhythmus der Sprache. Die entscheidende Frage nun: Welche Mittel stehen dir zur Verfügung, um den Text in angemessenen Tempo voranzubringen und gleichzeitig verständlich deine Inhalte rüberzubringen.
2 einfache Wege für Vielfalt
Wie du aus deinen Reden wahrscheinlich bereits weißt, kommt es auf Vielfalt an. Monotonie ist der Killer der Aufmerksamkeit. Deswegen gibt es nicht es nicht das eine richtige Tempo für dein Sachbuch, sondern die Mischung machts. Wechsele das Tempo, steigere und verlangsame es, leg Pausen wie bei einem Vortrag ein, damit der Leser die Informationen verdauen kann. Es ist vollkommen in Ordnung, dass Sätze bei Erklärungen ein wenig ausufern und in Story-Passagen schrumpfen. Auch wenn du einige Beispiele hintereinander abhandelst, können Sätze kürzer ausfallen und haben oft nur strukturierende Funktion.
Variiere zwischen den Satzlängen. Auf einen ausufernden Satz können mehrere kurze folgen. Oder sich einige lange Sätze übereinander türmen, um dann von einem kurzen Satz Auflösung zu erfahren. Oft machen auch schon wenige Wörter den Unterschied. Variiere natürlich auch zwischen den Satzanfängen. Wenn mehrere kürzere Sätze aufeinanderfolgen, helfen unterschiedliche Satzanfänge nicht nur, die Sätze miteinander zu verknüpfen, sondern auch tragen durch die Abwechslung auch zum Lesefluss bei.
Diese Maßnahmen sorgen wirklich für Klarheit
Nun geht es dir aber nicht nur um einen abwechslungsreichen Text für einen angenehmen Lesefluss, du möchtest vor allem auch von deinen Lesern verstanden werden. Wie machst du das deinen Lesern so einfach wie möglich? Wie stellst du den nötigen Überblick her? Schlicht gesagt, indem du alles Unnötige weglässt.
Das Kürzen und Weglassen von Passagen ohne Funktion für den Text, von Füllwörtern und von Redundanzen ist die effektivste Maßnahme zum Steigern des Tempos und gleichzeitig zum Herstellen von Klarheit. In einem chaotischen Zimmer voller Gerümpel fällt es uns viel schwerer, etwas zu finden, geschweige denn den Überblick zu behalten. In einem Text ist nicht anders. Unerfahrene Autoren kommentieren in ihren Texten gern ihre eigenen Fakten – besonders gefragte Public Speaker neigen dazu, da sie es von ihren Vorträgen so gewohnt sind. Während live vorgetragen solche Kommentare für Witz sorgen können, stehen sie dem wissbegierigen Leser nur im Weg, da sie den Text in die Länge ziehen. Dasselbe leisten auch Sätze ohne klaren Bezug zum übergeordneten Kontext oder solche, die lose Fäden im Text schaffen. Sie führen weg vom Gegenstand.
Wer immer wieder wie oben beschrieben oder wie bereits gesagt benutzen muss, wiederholt sich entweder gern oder hat die Erklärung schlecht entwickelt, weil er sie offensichtlich unterbricht. Beides lässt sich mit einem Blick auf den Ausgangspunkt, das Vorwissen der Leser und das Erklärungsziel beheben. Im Zweifel empfehle ich jedoch stets, Redundanzen zu streichen und auf ein Minimum zu reduzieren. Anders als der Rückblick am Beginn einer neuen Folge unserer Lieblingsserie werfen uns Redundanzen und Wiederholungen nicht wieder ins Geschehen, sofern sie nicht programmatisch sinnvoll sind, sondern einfach nur zurück. Ein Rückschritt fühlt sich jedoch nie gut an. Werde also das ganze überschüssige Fett in deinem Text los. Wie du deinen Text abnehmen lässt, erfährst du hier: Textfett reduzieren.
Fazit
Das richtige Tempo in einem Fachbuch zu halten, ist entscheidend für einen angenehmen Lesefluss und ein besseres Verständnis der Inhalte. Lesetempo ist nicht einfach nur die Geschwindigkeit, mit der du durch einen Text fliegst, sondern vielmehr der Rhythmus und die Struktur, die den Leser von Satz zu Satz trägt. Kurze Sätze und eine hohe Frequenz von Absätzen können das Tempo steigern, doch sie allein sind kein Allheilmittel. Monotonie durch zu viele kurze Hauptsätze kann den Lesefluss ebenso beeinträchtigen wie zu lange, komplexe Sätze. Die Vielfalt in der Satzstruktur und -länge ist der Schlüssel, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu halten und gleichzeitig komplexe Inhalte verständlich zu vermitteln.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Weglassen von allem Unnötigen im Text, sei es Füllwörter, Redundanzen oder Kommentare ohne klaren Bezug zum übergeordneten Kontext. Durch gezieltes Kürzen und Strukturieren kann nicht nur das Tempo gesteigert, sondern auch die Klarheit und Verständlichkeit des Textes erhöht werden. Letztendlich geht es darum, das richtige Gleichgewicht zwischen Tempo, Vielfalt und Klarheit zu finden, um ein Fachbuch zu schreiben, das nicht nur informativ ist, sondern auch gerne gelesen wird und beim Leser einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Wenn du immer wieder über deine eigenen Sätze stolperst und er Text nicht so richtig in Schwung kommen will, bin ich nur einen Button entfernt: