Die wichtigsten Kommaregeln für Fachbuchautoren (II)

Knifflige Komma-Fragen in der Praxis

Verehrte (angehende) Fachbuchautoren, die Kommasetzung ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Die Komplexität und teilweise Willkürlichkeit schreckt zusätzlich ab, doch es hilft ja nichts – wenn wir vollständige und korrekte Sätze produzieren wollen, müssen wir wissen, an welcher Stelle ein Komma steht und an welcher nicht. Nachdem wir im letzten Beitrag nun ein Auge auf die Grundregeln geworfen haben, werfen wir das andere Auge hinterher und beschäftigen uns mit einigen komplexeren Erscheinungen. Aber keine Sorge, wir werden nicht in sprachwissenschaftliche Tiefen abtauchen, sondern bleiben im abgesteckten grammatischen Badebereich.

 

Reminder: Kommas in Satzgefügen

Neben Aufzählungen und nachgestellten Zusätzen trennen wir mit Kommas hauptsächlich Prädikate, gebeugte (finite) Verben. Besteht ein Satz aus mehr als nur einer Handlung, also ist mehr als nur ein Prädikat im Satz vorhanden, müssen wir Kommas setzen, um die Handlungen und/oder Sinneinheiten im Satz voneinander abzugrenzen. Was aber zählt als Handlung und was nur als Phrase innerhalb eines Teilsatzes?

 

Advanced I: Kommas bei Partizipialgruppen

Ganz kurz: Was waren noch mal Partizipien? Zum Partizip I oder II gehören Verben, die im Satz die Funktion eines Adjektivs oder Adverbs einnehmen und entsprechend umgeformt sind. Sie beschreiben dann also einen Begriff oder eine Handlung näher, anstatt eine Handlung zu symbolisieren. Das Partizip I beschreibt dabei einen aktuellen und/oder anhaltenden Zustand, das Partizip II einen bereits abgeschlossenen und vergangenen Zustand. Das Partizip II wird weiterhin im Perfekt und Plusquamperfekt zur Bildung der Verbform gebraucht . Das Partizip I erkennst du an der Endung -end und das Partizip an der Vorsilbe ge- und der Endung -t oder -en.

Partizip I: lachend, spielend, abwesend, hochtrabend, kommend

Partizip II: gebraucht, gezwungen, gebrochen, geteilt, gekonnt

Grundsätzlich darfst du Partizipien und Partizipialgruppen mit einem Komma abtrennen, ich rate aber davon ab. Warum? Der Klarheit halber, denn überall dort, wo du kein Komma setzen musst, solltest du es auch nicht tun. Außerdem trägt das Komma bei Partizipien zur Verunsicherung bei, dem Motto folgend: Wenn hier ein Komma gesetzt wird, sollte dann auch nicht dort und dort eines stehen? Daher bevorzuge ich folgende Handhabung:

Lachend kam er auf sie zu. Statt: Lachend, kam er auf sie zu.

Die Idee dahinter: Vor allem soll das Komma Handlungen und Sinneinheiten voneinander abtrennen – ein Partizip beschreibt aber einen Vorgang, Zustand oder Begriff näher, folglich gehört es zur Sinneinheit dessen, was es beschreibt. Beim Beispiel oben beschreibt lachend die Art und Weise, wie eine Person auf die andere zukommt, somit gehört es zur Sinneinheit dazu und deswegen ist es in meinen Augen unlogisch, ein Partizip von seinem Bezugswort oder der Bezugswortgruppen durch ein Komma zu trennen. Die Tendenz, Partizipialkonstruktionen vom Bezugswort abzutrennen, geht vermutlich auf das Vorfeldkomma zurück.

 

Falsch, aber weit verbreitet: das Vorfeldkomma

Das Vorfeldkomma wirkt oft solide sowie einleuchtend und deswegen fallen viele Schreiber und Autoren darauf herein. Ein typisches Vorfeldkomma ist dieses hier:

Nach einer aufwendigen Prozedur mit vielen unerwünschten Nebeneffekten, war das Ergebnis miserabel.

Dieses Komma ist falsch, denn es gibt nur ein Prädikat in dem Satz und somit keinen Grund für dieses Komma. Trotzdem setzen es viele zielsicher an das Ende einer satzeinleitenden Adverbialkonstruktion wie hier. Nach einer aufwendigen Prozedur mit vielen unerwünschten Nebeneffekten ist hier eine zusammenhängende Adverbialphrase, die die sogenannte Vorfeld-Position einnimmt – wir wollen das hier jetzt nicht vertiefen, nur aus dieser Vorfeld-Position leitet sich die Bezeichnung des Kommas ab. Die Schreibenden haben nach dieser umfangreichen Phrase das Gefühl, dass sich schon eine Handlung vollzogen hat, und setzen entsprechend ein Komma. Dieser Impuls folgt wahrscheinlich dem rhetorischen Prinzip. Nach dem rhetorischen Prinzip setzt du überall dort Kommas, wo du beim Sprechen ein Pause machst. Das trifft auch auf das Ende der Adverbialkonstruktion hier zu, ist aber hier wie generell falsch.

Merke dir: Wie lang eine adverbiale Satzeinleitung auch sein mag, verzichte auf das Komma.

 

Advanced II: Infinitiv mit zu

Ähnlich verwirrend wie bei Partizipial- und Adverbialphrasen ist die Kommasetzung auch bei Infinitiven mit zu. Der große Unterschied: Hier wird in der Regel ein Komma gesetzt. Das Warum klären wir gleich, zunächst schauen wir uns an, wo das überall der Fall ist:

Nach satzeinleitenden Konjunktionen, die den Infinitiv mit zu erfordern

um, ohne, anstatt, als, wie.

Er nahm ein paar Steaks aus der Packung, um sie nun zu marinieren.

Wenn der Infinitiv-Nebensatz ein Nomen oder Adjektiv wie ein nachgestelltes Attribut näher erläutert:

Die Einsicht, nichts an den Umständen ändern zu können, entmutigte ihn.

Als Subjektsatz.

Nicht immer ist das Subjekt eines Satzes nur ein Wort oder eine einzelne Wortgruppe,  ebenso gut kann es auch ein Nebensatz mit dem Zu-Infinitiv sein, der die Position des Subjekts im übergeordneten Satz einnimmt:

Nie wieder zu verlieren, war von nun an seine Maxime.

Ob in deinem Fall ein Subjektsatz vorliegt und nicht etwa eine satzeinleitende Adverbialkonstruktion, kannst du mit einer Umstellprobe erkennen. Aus dem obigen Satz ließe sich auch dieser formen:

Es war von nun an seine Maxime, nie wieder zu verlieren.

Nie wieder zu verlieren wird dadurch vom Subjektsatz zum nachgestellten Attributsatz (siehe einen Absatz oberhalb) von Maxime. Mitunter ist nach so einer Umstellung das Bezugswort auch es, dafür, dort oder vergleichbare Positionswörter. Wenn du dagegen den Beispielsatz mit der satzeinleitenden Adverbialkonstruktion oben umstellst, wird kein solcher Bezug der Phrase zu einem Bezugswort deutlich.

Merke dir: Nicht immer besteht ein Subjekt nur aus einem Wort, sondern auch aus einem Nebensatz mit einem Zu-Infinitiv. Dieser Subjektsatz erfordert ein Komma.

 

Der Unterschied zwischen Partizipien und Infinitiv mit zu bei der Nebensatzfrage

Infinitive mit zu können satzwertig sein – und sind es in der Mehrheit der Fälle sogar zwangsweise – auch wenn sie keine gebeugte Verbform sind. Außerdem besitzen die Infinitiv-Phrasen kein Subjekt. Infinitive mit zu gelten als separate Nebensätze, deren gedankliches Subjekt sich im übergeordneten Satz befindet. Deswegen muss die komplette Infinitiv-Phrase mit einem Komma abgetrennt werden.

Ausnahme: Wenn der vermeintliche Nebensatz lediglich aus dem Infinitiv und zu bestehen würde und nicht mit einer Konjunktion (um, ohne, statt, als, wie) eingeleitet wird. Hier kann und sollte das Komma weggelassen werden.

Partizipien hingegen können nicht satzwertig sein, da sie mehr in die Rolle eines Adjektivs oder Adverbs schlüpfen und eine ganz andere Funktion erfüllen. Der entscheidende Unterschied bei der Kommasetzung liegt also im satzwertigen Status: Die Infinitive mit zu drücken einen Zustand oder einen Vorgang, also eine Handlung aus, haben deswegen auch satzwertigen Status, die Partizipial- und Adverbialkonstruktionen jedoch nicht, egal wie umfassend sie sind.

 

Fazit

Es ist keineswegs leicht, den Überblick in einem mehrteiligen Satz zu behalten, eine korrekte Kommasetzung erleichtert ihn aber ungemein! Wir haben ein wenig Licht in das Dunkel dieser mehrteiligen Sätze gebracht und geklärt, wann ein Komma weswegen sein muss. Grundsätzlich kannst du dir merken: Bei Infinitiven mit zu handelt es sich um eine satzwertige Phrase, die nach einem Komma verlangt, und Partizipien werden wie Adjektive oder Adverbien behandelt und entsprechend nur bei Aufzählungen durch ein Komma abgetrennt.

Wenn du jetzt immer noch im Dunkeln tappst, bin ich nur einen Button entfernt:

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